Videos auf YouTube, unter leichten Kürzungen protokolliert und ins Deutsche übersetzt
Sensorische Probleme
Viele Aspies hören Töne, die andere
nicht hören, manche mögen keine leichte Berührung, dafür aber
starke. Manche haben auch gegensätzliche Wahrnehmungen: Mal starke Schmerzempfindlichkeit, dann wieder geringe.
Beziehungen: Es gibt sehr schüchterne
Aspies und auch solche, die übergriffig sind. „Du bist zu intensiv
in dem, was du tust“, haben einige schon öfter gehört.
Manche sind Magier der Zahlen -- andere
haben keine Ahnung von Mathe. Es gibt Leseratten und Nichtleser. Die
Varianz ist riesig. „Kennst du einen Aspie, kennst du -- einen.“
Es gibt keine Normalverteilung der
Charakteristika, sondern die Extreme machen die Masse aus.
Q: Einer von 10 ist ein Savant, hört
man...
A: Bei Aspies sind hohe Begabungen
möglich, ein großer Teil hat sie. Es ist unheimlich wichtig, diese
zu entwickeln, und sehr hilfreich.
Q: Jemand schreibt: „ich fürchte
Blitze, laute Geräusche, aber auch Luftdruck-Unterschiede, zum
Beispiel beim Zuschlagen der Autotür oder Fahrt durch einen
Tunnel...“
Ist das typisch?
A: Ja, das ist es, und auch, dass es
als schmerzhaft empfunden wird, während das den meisten Leuten
nichts ausmacht. Das ist aber nicht Wehleidigkeit, sondern eine echte
Missempfindung.
Q: Man hört oft, dass Asperger-Frauen
einem Professor oder Wissenschaftler an den Lippen hängen, und wenn
der denkt, sie hat sich verliebt, sind sie völlig verblüfft und
geschockt und hätten nie daran gedacht...
A: Ja, sie verlieben sich oft in die
Idee, die einer vorträgt, in sein Wissen. Sie verlieben sich auf
geistiger Ebene und werden dann missverstanden. Das geistige
Interesse hat bei ihnen oft eine Intensität, die erotisch werden
kann, sie haben sozusagen geistige Orgasmen.
Ehen
Ehen von Aspergern mit NT haben
charakteristische Schwierigkeiten. Manche Aspies leben in einer
seligen Unwissenheit darüber, was der Partner eigentlich braucht.
Andere haben verstanden, dass sie für den Partner eine Enttäuschung
sind, daß sie seine emotionalen und sozialen Bedürfnisse nicht so
recht erfüllen können, sie wissen auch, dass man seine Liebe
ausdrücken muss, und sie fühlen sich als Versager, wissen aber
nicht, was sie tun sollen. Wenn sie beide Aspies sind, brauchen sie
keine großen Aussprachen, denn sie sind auf demselben Planeten.
Daher gibt es gleich gewichtete Bedürfnisse.
Darüber könnte man den ganzen Tag
reden...
Erblichkeit
Es gibt ein genetisches Element, aber
das ist offenbar nur in der Hälfte der Fälle wirksam. In den
übrigen Fällen ist das Gehirn vor der Geburt irgend einer Wirkung
ausgesetzt gewesen.
Fehlerhafte
Logik
Q: „Ich habe einen Bruder, mit dem
ich mich nicht so gut verstehe. Als kürzlich meine Mutter starb,
beschuldigte er mich, ich hätte sie vergiftet.“
A: Solche scheinbar herzlosen Vorwürfe
können auf falschen Schlussfolgerungen beruhen, vielleicht durch
eine mitgehörte, aber falsch eingeordnete Bemerkung, vielleicht
durch etwas, was nicht ernst gemeint war. Asperger nehmen oft Dinge
ernst, die nur so dahingesagt waren.
Bei jungen Menschen lässt sich so
etwas noch korrigieren, bei einem Erwachsenen ist das schwieriger.
Man muss mit ihm reden und bei Konflikten einen Kompromiss
aushandeln. Manchmal kann eine neutrale Person helfen. Das Denken bei
Aspergern kann sehr schwarz-weiß sein.
Masken
Q: Der Asperger hat gelernt, sich
anzupassen. Wie kann er seine authentische Persönlichkeit
wiederfinden?
A: Maskierung ist im Prinzip eine
intelligente Lösung. „Ich habe gelernt, dass meine Art von
Emotionen, meine gesellschaftliche Unbeholfenheit Leute abschreckt.“
Darum unterdrückt man diese Komponenten. Man „fälscht“ eine
gesellschaftlich akzeptable Persönlichkeit. Das aber ist sehr
anstrengend. Manche machen das sehr gut, sogar oskarreif, aber dann
kommt der Zusammenbruch. So wie bei Aschenputtel, wo Schlag
Mitternacht die Kutsche verschwindet. Dann bekommen sie eine „soziale
Migräne“ -- ihr wahres Ich nicht zeigen zu dürfen macht sie
depressiv.
Soll man die Maske abnehmen? Ich sage,
ja. Aber man braucht Hilfe. Man kann es tun, wenn man erklärt, wer
man ist und warum man die Dinge so tut, wie man sie tut.
Wenn man sich entschließt, das nicht
zu tun, ist mit lebenslangen Depressionen und Erschöpfung zu
rechnen.
Wenn du also dazu stehst und es gut
findest, wie du bist, und stolz auf dich bist, dann bist du du
selbst. Auch wenn man dann viel erklären muss. Das ist der Weg bei
der Therapie von Teenagern: Stärkung des Selbstwertgefühls.
Wenn man Fakes macht und die
Beziehungen auf dieser Grundlage entstehen, wird der Partner dich
verlassen, wenn er hinter die Maske blickt, denn das bist du nicht.
Wenn du also jemanden findest, ist es wichtig, sich selber treu zu
sein, um jemanden zu finden, der dich liebt, wie du bist. Die Maske
muss weg, denn du zahlst einen zu hohen Preis: Erschöpfung.
Vielen
Leuten merkt man es nicht an, sie könnten eine Preis für ihre
Schauspielkunst gewinnen. Aber Glück ist nur außerhalb der Maske zu
finden.
Katastrophale
Emotionen
Bei
einer späten Diagnose kann ein Zusammenbruch die Folge sein, dann
gibt es Selbstmorddrohungen, extreme Emotionen. Aber kurz darauf ist
nichts mehr schlimm, eine halbe Stunde später fragt er schon, was es
zum Tee gibt. Man muss und kann sie beruhigen.
Wenn
man aber ebenso extrem reagiert, dann wird es noch viel schlimmer,
dann ist es nicht so bald vorbei.
Man
muss herausfinden, was der Trigger war, der die extremen Emotionen
auslöst.
Fehlschläge?
Das
Gefühl, nicht zu genügen, unvollkommen zu sein?
Kritik?
Hat jemand ihn gereizt, geärgert, ausgelacht?
Das
muss man dann durchgehen und in Ruhe besprechen, das Selbstwertgefühl
wieder aufbauen.
Diagnose
im hohen Alter
Wenn
man erst spät die Diagnose hat, ist sie dennoch nicht umsonst. Denn
sie hilft, dass man mit seinem Leben Frieden schließen kann. Man
entdeckt in jeder Erinnerung andere Züge, erklärt sich Rätsel der
Vergangenheit und kann Erinnerungen auf Hinweise durchgehen. In
diesem Fall, wo die Tochter fragt, wie sie der Mutter helfen kann,
die erst mit über 80 von ihrem Asperger erfahren hat, ist das eine
wunderbare Gelegenheit, ihr bei der Klärung zu helfen, und ich freue
mich über die mitfühlende Einstellung der Tochter.
“Wenn
du die Zeit zurückdrehen könntest -- was würdest du anders
machen?“ Du bist eine ältere, weise Person aus dem Stamm der
Asperger, die nun als Ratgeber wertvoll ist. Was hätte dir geholfen,
als du 16 Jahre alt warst? Als du geheiratet hast und Kinder bekamst?
So kannst du vermitteln, was hilfreich für dich war und was nicht.
Zeit
Manche
reden von Selbstmord, weil sie glauben, es würde niemals besser
werden. Wer selber sagen kann: „Ich habe das durchgemacht, ich kann
denen verzeihen, die gemein zu mir waren“, hat mehr Glaubwürdigkeit
als ich, der Psychologe.
Dann
kannst du sagen: „Ich bin jetzt glücklich und genieße das Leben“.
Wenn jemand das sagt, muss man es auch fühlen können, sonst glaubt
ein Aspie, es wird nie wieder gut.
Angstgefühle
Das
ist ein Thema für 86% der Erwachsenen, die an unserer Studie
teilgenommen haben. „Angst ist mein ständiger Begleiter“,
schreibt Richard. Und Anita sagt: „Ich habe einen Sechsten Sinn für
Gefahren oder Bedrohungen“.
Man
entwickelt Strategien, um dem Angstgefühl zu begegnen, hat aber auch
einen Sechsten Sinn, der die Erwartung des Negativen mit sich bringt.
Man ist immer auf der Hut, immer in Erwartung der nächsten negativen
Erfahrung, und das erschöpft die Kräfte. Die Folge davon sind
Depressionen.
Es
gibt problematische Strategien und konstruktive.
Problematische
Strategien:
- Übermäßige Kontrolle. Man kann entweder sehr dominant werden oder
- Vermeidung. Man verhält sich sehr fügsam.
- Rituale und Routinen, die durchgezogen werden müssen. Sie schaffen eine scheinbare Voraussagbarkeit
- Emotionale Explosionen
- Alkohol und Drogen. Dies beides macht den anderen Leuten Angst oder schafft für einen selber eine „mir-egal“-Blase.
Das
alles ist schrecklich gefährlich.
Konstruktive
Strategien:
- Physische Aktivität, Sport, „der Angst davonlaufen“
- Gesunde Ernährung
- Entspannung/Meditation
- Spezialinteressen, die aber nicht als Hauptmethode empfohlen werden
- Unternehmungen
-
mit Tieren
-
mit der Haupt-Vertrauensperson
-
in der Natur
- Reifen/Älterwerden
Zum Unterschied zwischen Asperger und
Hochfunktionalem Autismus:
die
Hochfunktionalen sind oft in der Kindheit verzögert und fallen schon
früh auf.
Die
Asperger sind als Kleinkinder nicht auffällig, sondern die Probleme
entstehen erst im Schulalter bei 8-10 Jahren. Dann unterscheiden sie
sich nicht von den Hochfunktionalen, was ihre Bedürfnisse auf dem
sozialen und emotionalen Gebiet betrifft.
Spätdiagnose
Als
Kliniker bin ich mit Diagnose befasst. Wir können Jungen sehr gut
beschreiben. Bei Mädchen ist das viel schwieriger, denn sie können
sich besser tarnen. Die typischen Zeichen -- Depressionen, Angst,
Eßstörungen, Erschöpfung -- treten erst im Erwachsenenalter auf.
Wir
sind erst ganz am Anfang mit den Diagnosen von Teenagern. Erwachsene,
die nie diagnostiziert worden sind, haben sich dennoch ihr Leben lang
als etwas anderes gefühlt. Sie haben Pläne entwickelt, wer sie sind
und was sie machen wollen. Wir brauchen neue Strategien, um
Erwachsene zu diagnostizieren.
Ich
gebe oft Radio-Interviews, und dann rufen Hunderte von Leuten an, die
sagen: „Das bin ich ja, den sie da beschreiben! So war ich als
Kind, aber keiner wusste, was das ist!“
Wir
entwickeln also Strategien und Fragebögen, um Menschen über ihre
Kindheit zu befragen und so zu diagnostizieren.
Was
wir dann finden, ist vor allem Erleichterung. „Ah. Ich bin nicht
verrückt, ich bin kein schlechter Mensch. Ich kann Informationen
bekommen und meinen Charakter auswerten.“
Dann
kommt eine Phase der Mutlosigkeit: „Ich habe Asperger -- wer kann
mir helfen?“
Darum
ist die Unterstützung durch andere Menschen mit ähnlichen
Charakteristika so wichtig. Die beste Hilfe kommt oft nicht von den
Fachleuten. Erwachsene sind oft froh, dass sie bessere Entscheidungen
für ihren Beruf fällen können, um sich selbst zu verstehen, um
ihre Beziehung besser zu verstehen. „Ich weiß jetzt, wo ich gut
bin und wo nicht, was ich eher vermeiden sollte. Ich habe ein
besseres Verständnis für die Weichenstellungen im Leben. Wie
erkläre ich das meiner Familie? Wie erkläre ich das meinen
Kollegen? Werden sie es verstehen? Wird es jemanden geben, mit dem
ich darüber reden kann? Der sich mit Asperger-Syndrom auskennt?“
Die
Diagnose beantwortet Fragen, aber wirft auch neue auf.
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