Warum kümmerst du dich um sowas?

Es fällt mir einfach schwer, zu manchem die Klappe zu halten. Von sprachlichen Schnitzern bis hin zu politischen Debatten. Also sammle ich, was mir so auffällt -- und eine Bemerkung verdient...

Montag, 11. Juli 2016

GROBE SCHLUBKUNDGEBUNG, WEIBHERBST & FREMDENHAB

Natürlich gibt es kein GROßES ß, nicht mal ein großes. Daß (Pardon, ich schreibe klassische Orthographie, auch in meinen Romanen) es zu einer immer häufigeren Verwendung kommt, ist die Schuld der "Recht"-schreib-"Reform", die einen Paradigmenwechsel vollzogen hat, sie hat das ß umgewidment von einem Zweck zum anderen. Sie hat aus einem Anzeiger für Wortschlüsse ein Lautgeberzeichen gemacht. Und das ist Unsinn. Das ß war nie ein wirkliches Signal für einen lang gesprochenen Vokal (wir haben ja auch vor der "Reform" in Worten wie "Mißbrauch", "Schißhase" oder "Faßbrause" keinen langen Vokal gesprochen!), sondern es zeigte einen Wortschluß an.
Und noch ein Argument gibt es. Im Ausland (und wir wollen doch Weltbürger sein) wird es vollends nicht verstanden, wie dieses Logo beweist: Es stützt sich natürlich auf das griechische Beta, den Ursprung unseres B. Niemand außer uns würde darin einen Zischlaut erkennen.
Liebe Grafiker-Kollegen! Wenn es Namen zu setzen gilt, deren Träger verständnislos wären, wenn man aus einer Frau Maß eine Frau Mass machen würde, dann bedient euch doch einfach aus dem gemischten Setzkasten! Und erinnert euch und andere, daß es sich um eine Ligatur handelt, SS oder SZ -- Vielleicht kann Frau MASZ so glücklich werden.

Montag, 8. Februar 2016

Traumatisiert

Kürzlich unterhielt ich mich mit einem der für das Wohl der Stadt Verantwortlichen. Und er sprach mit leiser Empörung davon, was für Argumente die Demonstranten vorbrachten, die sich gegen den Bau von Flüchtlingsunterkünften wehren. Er war just unterwegs gewesen, um mit aufgebrachten Bürgern (Hamburgern, keinen Wendeverlierern) zu reden, die verhindern wollten, dass auf einer grünen Wiese eine Flüchtlingsunterkunft gebaut wird.
Ja. Auf einer grünen Wiese, die schützenswert ist gegenüber dem Unterfangen, Menschen, die aus einer lebensgefährlichen Umgebung kommen, zu uns zu lassen und unterzubringen. Da entblödete sich doch ein Bürger nicht, sein psychologisches Expertentum hervorzukehren und zu behaupten, die Begegnung mit Flüchtlingen sei für ... (Kinder? Jugendliche?) traumatisierend. Aber ich hoffe doch! Teilt mal das Trauma, das wird euch guttun!

Wissen Sie, was traumatisierend ist? Bei Hitze kein Wasser zu bekommen. Bei Kälte keine Unterkunft.
Im Keller zu sitzen, während Bomben fallen. 
Nicht im Keller zu sitzen, während Bomben fallen.
Nicht zu wissen, wo die Liebsten sind, Eltern, Kinder, Ehepartner. Und ob sie leben.
Sein bloßes Leben gerettet zu haben.

Eure Großeltern wissen das vielleicht noch. Der Anteil von Flüchtlingen an der Gesamtbevölkerung war bis zu 24%! Das heißt: In den östlichen Bundesländern wurde fast jeder Vierte als Flüchtling oder Vertriebener integriert, während die Städte in Trümmern lagen und Hunger und Brennstoffmangel das Leben schwer machten.
Und da glauben Leute, man könnte nicht einige Hunderttausend in diesem reichen Land unterbringen?
Die das denken, sollten sich wirklich schämen.


Montag, 1. Juni 2015

Was ist Behinderung?

"Behinderung" ist alles, was dem Betroffenen Nachteile einbringt. In dem Wort ist nicht enthalten, auf welchem Gebiet. Und schon gar nicht, dass es körperlich sein muss. Und was den meisten Leuten auch nicht klar ist: Die Ursache der Behinderung liegt sehr oft gar nicht am Betroffenen, sondern an der Unwissenheit und Rücksichtslosigkeit der Mitmenschen. Das sagt ja auch der Sprachgebrauch: "hindern" und "behindern" beschreibt eine Erfolglosigkeit ohne eigenes Zutun, Versagen oder gar eigene Schuld.
Das Wort "hemmen" – meine Vermutung – hat mit "Hemm" zu tun, was in Norddeutschland eine Vegetation beschreibt, die das Fortkommen unmöglich macht: "Hemmoor", "Hamm", "Hammerbrook", alles Orte, die niedrig liegen und daher in der Frühgeschichte mit Auwald und Buschwerk bewachsen waren. Im Frühling waren sie zudem überschwemmt und konnten darum praktisch vom Menschen nicht betreten werden. Nur mühsam angelegte Bohlenwege ermöglichten den Zugang, der "Holzweg", der niemals eine durchgehende Straße war, im Gegensatz zum gepflasterten Reiseweg. Unsere Vorfahren konnten sich an solchen Orten nur Siedlungsplätze schaffen, wenn sie in harter Knochenarbeit Plätze rodeten und Wege zwischen Wohnplatz und Wasser, dem damals besten Reiseweg, freihielten.
Woher kommt das Wort "hindern"? Das lateinische "impediere" heißt wörtlich "der Füße berauben", "entfußen". Der mit Tieren vertraute Mensch der Frühzeit wußte, dass man ein Tier am wirkungsvollsten stoppt, wenn man seine Hinterbeine blockiert. Der Schäfer fängt ein Schaf ein, indem er mit seinem Krummstab das Hinterbein vom Boden hebt.
"Wir sind nicht behindert, wir werden behindert", lautet die Korrektur durch Campagnen, die das Verständnis für die Lage behinderter Menschen vertreten. Gerade bei nicht sichtbaren Behinderungen ist das möglicherweise schon die ganze Wahrheit. 

Der Autist, der sich nicht verbal ausdrückt, noch viel mehr der, der sich zwar ausdrücken kann, aber nicht so, dass man ihn versteht, und der somit als Spinner abgetan wird, als jemand, den man nicht in seinen Kreisen haben möchte, auf den niemand Rücksicht nimmt, weil er scheinbar könnte, wenn er nur wollte – sie werden von der Gemeinschaft einfach nur nicht mitgenommen.
Und das ist ihr Leiden.